TKKG 73 - Hilflos in eisiger Nacht by Wolf Stefan

TKKG 73 - Hilflos in eisiger Nacht by Wolf Stefan

Autor:Wolf, Stefan [Wolf, Stefan]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Kinder
veröffentlicht: 2014-01-25T23:00:00+00:00


Der entlastende Brief

Selbigs Haus war jahrelang nicht gelüftet worden. Es hatte wie ein Dornröschen-Schloss für Prolos dahingedämmert, während der Eigentümer im Gefängnis saß. Nur zweimal im Jahr war ein entfernter Verwandter hereingekommen, widerwillig, um die Heizung an- bzw. abzustellen. Natürlich auf dem untersten Level, nur damit die Wasserrohre nicht einfroren. Jetzt roch die Bude wie das Vorzimmer zu Herrn Pharaos Grab in einer noch nicht entkernten Pyramide, und der Gilb in Tapeten und Gardinen passten dazu.

"Schön hast du's hier", sagte Jumbo Körner und ließ sich in einen Sessel fallen.

"Habe dir doch erzählt, wie gern ich hier bin."

Selbig kam aus der Küche, brachte einen Laib Brot, einen 5-Pfund-Schinken, Butter, zwei Teller und Messer, vier Flaschen Bier, aber keine Gläser. Trinken kann man schließlich auch aus der Flasche, besonders Bier.

Sie frühstückten.

Dabei berichtete Körner von dem Zusammentreffen mit Hugo Wuttke, seinem ehemaligen Chef, im Zug.

"...dieses Angebot! Stell dir vor! Ausgerechnet der kommt auf mich zu. Ich soll seinen Laden warm abreißen. In die Luft jagen. Ich, ausgerechnet ich soll ihm, diesem Mistkerl, einen Gefallen tun. Tue ich, tue ich! Aber danach - sobald er von der Versicherung das Geld hat - nehmen wir ihn aus. Du bist doch dabei, Kurt?"

Selbig nickte. "Dabei immer."

"Morgen Nachmittag mache ich's."

"Hast du dein TNT schon ausgebuddelt?"

"Habe ich. Letzte Nacht. In dem Wald draußen bei der Internatsschule. Habe auch gleich eine kleine Probesprengung gemacht. Hatte nämlich das Gefühl,

mein Zeug wäre verrottet. Ist es aber nicht. Alles funktioniert wie geschmiert. Mit der Dosierung habe ich mich allerdings vertan. War zuviel. Der Wald hat gezittert, die Felsbrocken flogen, und im Boden ist jetzt ein Krater wie... wie auf dem Mars.

Hähäh!"

Selbig nickte und zog sich eine Schinkensehne aus den Zähnen. Sie wurde immer länger.

Unappetitlich! Aber beider Befindlichkeit war noch auf Gefängnis-Niveau, also störte es keinen.

"Ich habe auch eine Neuigkeit", erklärte Selbig und holte einen Brief aus dem Geschirrschrank.

"Robert Paulmann hat ihn mir geschickt."

"Der Sprengmeister, von dem du erzählt hast?"

Selbig nickte. "Er ist tot."

"So plötzlich?"

"Plötzlich ja. Aber er ist schon seit zwei Monaten tot. Unfall. Bombe. Peng! Und aus."

"Schlimm. Was ist mit dem Brief?"

"Ich lese vor."

Selbig rieb sich erst die fettigen Finger am Taschentuch ab, entfaltete dann den Brief.

"Hallo, Kurt Selbig!" las Gaulgesicht vor. "Ich hoffe, dass dieser Brief Sie erreicht. Ich habe ihn vor geraumer Zeit verfasst - für den Fall meines Todes. Dann wird meine Nichte Martina den Brief zu Ihnen expedieren. Ich will nämlich mein Gewissen erleichtern. Zu Lebzeiten kann ich das nicht, wie Sie gleich erfahren werden. Aber nach meinem Tode, wenn ich irdischer Gerechtigkeit entzogen bin, sollen Sie alles erfahren. Seit Jahren lastet diese Sache auf mir. Denn ich bin Mitwisser am Tode Ihrer

Frau. Ich war dabei, als sie überfahren wurde. Es war in der Kurve am Wäldchen. Mein Kollege Volker Sommer saß am Lenkrad, und rückblickend glaube ich, es hat ihm Spaß gemacht, Ihre Frau zu töten. Sicherlich - er war damals noch sehr jung, gerade mal 26. Er war noch nicht Sprengmeister wie heute. Und er war auch noch nicht mit meiner Nichte Martina verlobt. Aber er hat sich verhalten wie ein gewissenloser Lump.



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